Strahlnersaison 2020, die Zwillingskluft

Das vergangene Jahr 2020 stand ganz unter dem Motto der neuartigen Krankheit COVID_19. Jegliche Kontakte wurden eingeschränkt und ein nationaler Lockdown im Frühjahr war die Folge davon. Auch wurden alle Mineralienbörsen im Frühjahr 2020 abgesagt und das allseits beliebte Mineralienmuseum in Seedorf, konnte seine Tore nicht öffnen. So blieb mir nur die Flucht in meine geliebte Bergwelt zum Strahlnen. Denn auf dieser Höhe wird sich wohl das Virus nicht ausbreiten.

 

Fotos Zwillingskluft 1Meine persönliche Strahlnersaison begann am 8. August 2020. An diesem Samstag stiegen Bruno und Kurt und meine Wenigkeit hoch zum Biwak. Sepp, unser Strahlnerkollege, hat das Biwak vor zwei Wochen bereits ausgewintert. So stand also meinem ersten Kaffee im Biwak der Saison 2020 nichts mehr im Wege. Nach dieser erfrischenden Stärkung zogen auf eine erste Erkundungstour im Strahlnergebiet. Unsere Vorahnung wurde soweit bestätigt, dass doch noch eine beträchtliche Menge an Schnee vorhanden war. Ausgestattet mit zwei Lawinenschaufeln führte uns der Weg über die strahligen Felsen des Tiefengletschers zu unserer Zwillingskluft. Die Kluft haben wir letztes Jahr im Spätherbst gefunden. Eine erste Inspektion der Lage zeigte uns, dass noch ca. 2 Meter Schnee über der Kluft lag. Dieser Schnee sollte möglichst rasch weg, denn Kurt hat für dieses Jahr die Bohrbewilligung gelöst für die besagte Kluft.

Schnell waren die Schaufeln ausgepackt und zusammengesteckt. Abwechslungsweise wurde Schicht um Schicht vom Schnee abgetragen. Dieses Szenario dauerte etwa eine Stunde, bis uns allmählich die Kraft verlies. Schliesslich war es der Anfang der Saison!!! Müde, jedoch gut gelaunt, verliessen wir die Stelle und machten den Platz frei für die Sonne. Mit ihren Sonnenstrahlen konnte sie nun versuchen den noch bestehenden Schnee zu wegzuschmelzen.

Am Montag und Dienstag musste ich noch arbeiten, bevor dann meine Ferien begannen. Den Drang in die Berge zu gehen war riesig. Bereits sah man mich wieder am Mittwoch im Gebiet. Bruno und Kurt brauchten noch einen Tag Erholung, da sie Montag und Dienstag in der Göscheneralp ihr Strahlnerglück suchten. Ich suchte den Nossen rechts vom Namenlosen ab, und konnte aus einer alten Kluft noch zwei bis drei Spitzen bergen. Der Besuch bei den Betschards Brüdern Christoph und Thomas, rundeten einen interessanten Vormittag ab. Auch die beiden hatten für diese Saison die Bohrbewilligung gelöst, und arbeiteten mit schweren Mitteln an einer interessanten Kluft. Diese gute Freundschaft unter Strahlner ist selten und sollte daher, wenn immer möglich gepflegt werden.

Fotos Zwillingskluft 2Später ging ich wieder zu unserer Kluft und habe noch zwei Stunden (natürlich mit Pausen) den Schnee weggeschaufelt. Der Klufteingang kam grösstenteils zum Vorschein und so konnte der Heli bestellt werden. Nach ein paar Tagen schlechtem Wetter und dem Feiertagswochenende, hielt ich es nicht mehr aus zuhause und ging bereits am Dienstag den 18. August wieder ins Biwak. Ich machte einen Abstecher zum Nossen. Auf der linken Seite war es sehr gefährlich. Im Minutentakt brach Eis ab, so dass es einem kalt den Rücken ablief. Um die Mittagszeit fing es an zu rieseln und minutenspäter schneite es sogar. Zum Glück war der Spuck nach einer viertel Stunde vorbei. Um ca. 16:00 Uhr bin ich dann zum Biwak zurückgekehrt, und genoss die letzten Sonnenstrahlen auf unserer spartanisch eingerichteten Liegewiese bestehend aus Stein. Gegen Abend wechselte das Wetter wieder auf Nieselregen. Dies war der Grund, dass ich bereits um 20:00 Uhr im Schlafsack war. "Ach hat man Platz, wenn man alleine im Biwak ist".

Am nächsten Morgen erwartete ich Kurt im Biwak. Der Tagesrapport sah vor, dass wir an diesem Tag mit dem Heli ein Stromaggregat und die Bohrmaschine zu unserer Bohrstelle einfliegen. Kurz vor Mittag traf Kurt ein und ging geradewegs weiter zur Kluft hinauf. Er hatte die Aufgabe, den Helisack direkt bei der Kluft abzuhängen. Bruno + Sepp figurierten als Bodenpersonal auf dem Tätsch und übergaben die Fracht an den Heli. Geplant waren zwei Rotationen. Eine Rotation zur Kluft und eine Rotation mit Esswaren und Getränke ins Biwak. So bestand meine Aufgabe, den zweiten Sack beim Biwak abzuhängen. Die erste Rotation zur Kluft funktionierte tadellos. Die zweite Rotation wäre fast geglückt, wenn nicht der Pilot das Gepäck beim Nachbarbiwak bei Thomas Steinbrugger abgelegt hätte. Mein Winken und der Versuch Aufmerksamkeit zu erregen, ging gründlich schief. Der Heli flog, nach der Ablage beim falschen Biwak, zurück zum Tätsch. Als Sepp und Bruno vom Piloten erfuhren, dass niemand beim Biwak war, um den Sack entgegen zu nehmen, fragten sie bei mir nach. So kam es, dass der Heli eine dritte Rotation fliegen musste, um sein Missgeschick zu beseitigen. So konnten aber Sepp und Bruno auch mitfliegen und einen Heli Flug geniessen. Der schweisstreibende Aufstieg zum Biwak wurde ihnen dabei erspart. Kurt kam dann auch von seinem Posten zurück und zusammen verbrachten wir die Nacht im Biwak.

Fotos Zwillingskluft 8Den darauffolgenden Tag starteten wir mit voller Vorfreude auf die Arbeit an der Stelle. Wir stiegen zu viert hoch zur Zwillingskluft und begannen schon bald mit den ersten Bohrungen. Die obere Kluft zeigte sich widergespenstigt undFotos Zwillingskluft 4 spaltete nicht wie gewünscht. Viel Zeit verging mit der Rettung der unverzichtbaren "Poncioti" damit sie nicht verloren gehen. Schnell hatten wir an der oberen Stelle über 30 Löcher gebohrt. Trotz des ausgelaugten Felsens konnten wir die meisten Stufen so bergen, wie wir uns es gewünscht haben. Es ist wahrhaftig ein schönes Gefühl solche Gruppen ans Tageslicht zu befördern. Manch ein spontaner Schrei und ein gelegentliches Juzen, erhallte an diesem Tag den Tiefengletscher. Bereits war der Tag fortgeschritten und einige Stufen lagen bereits parat, um in den Helisack gelegt zu werden. Gutgelaunt gingen wir dann am Abend zurück ins Biwak

 

 

Natürlich gingen wir wieder am nächsten Tag wieder zur Stelle. Sepp der noch den Haushalt im Biwak erledigte, kam ein wenig später nach. Er lief an diesem Tag ein anderer Weg zu Stelle. Plötzlich musste er seinen gemütlichen Gang abrupt abbremsen. Etwa 40 Meter unter der Kluft auf dem Gletscher fing er plötzlich an das Eis mit Pickel zu bearbeiten. Aus dem Eis kamen unzählige Kristalle hervor. Zum Erstaunen von Sepp waren bei den meisten Kristalle unbeschädigt. Wir vermuteten, dass diese aus unserer Kluft stammen und bereits vor Jahren ausgespült wurden. Derweilen hatten Bruno, Kurt und ich die Arbeit wieder aufgenommen. Ab Mittag begannen wir an der unteren Stelle zu arbeiten. Ein verkeilter Block konnte nach harter Arbeit gelöst werden. Danach war der Weg frei für eine erste Reihe zum Abspalten. Wir konnten zwei herrliche Stufen bergen und im Lehm hat es noch weitere schöne Kristalle. Ein Stochern in der Kluft zeigte, dass noch fast ein Meter Deckenstufen auf die Bergung warteten. Am Abend gingen Sepp und ich ins Tal runter. Bruno und Kurt blieben noch eine Nacht im Biwak. Das unsichere Wetter am nächsten Tag zwang sie jedoch bereits um 11:00 Uhr zu einer Rückkehr.

Fotos Zwillingskluft 5Nach einem erholsamen Sonntag standen wir am den 24.August wieder in Vollbesetzung im Biwak. Vier rollen Noppenplastik haben wir hochgetragen, damit wir genügend Verpackungsmaterial für all die schönen Steine hatten. Dank der Hilfe der Bohrmaschine sind wir tiefer in die Kluft vorgedrungen und konnten erneut wunderschöne Stufen bergen. Darunter auch ein perfekter Gwindel mit einem schönen Sockel.

Der Helisack ist bereits gut gefüllt mit Steinen. Diese schönen Momente in einem Strahlnerleben zu geniessen ist manchmal etwas schwierig. Das tönt jetzt vielleicht ein bisschen melancholisch, aber ist es nicht in den Genen des Menschen, dass wir immer nach mehr Streben, und dabei vergessen zu schätzen was wir bereits erreicht haben? Dieser Gedanke nahm ich mir an diesem Tag zu Herzen und nahm mir an diesem Tag eine halbstündige Auszeit um den Moment direkt bei der Kluft zu geniessen. Zurück beim Biwak genossen wir wieder einmal die letzten Sonnenstrahlen, bevor ich dann das Nachtessen bestehend aus Steaks mit Pasta zubereitete.

Am nächsten Tag gingen wir wieder zu viert hoch, um das harte Tagwerk weiterzuführen. Leider ist dabei ein saudummer Unfall passiert. Ich hatte den Borer angesetzt und Kurt hat mit der Hand den Borer geführt. Dabei hat sich plötzlich der Handschuh am Borer verklemmt und ihm den Daumen herumgerissen. Starke Schmerzen und ein extremes Anschwellen des Daumens liessen auf einen Bruch schliessen. So entschieden wir uns für die Alarmierung der REGA und liessen Kurt ausfliegen. Bruno stieg mit Kurt herunter auf den Gletscher und nach 20 Minuten nach dem Anruf sass Kurt im Heli und flog ins Spital nach Altdorf. Wir arbeiteten vorsichtig weiter, doch waren unserer Gedanken stetig beim Patienten.

Langsam neigte sich die Kluft dem Ende zu. Links und frontal liefen Boden und Decke zusammen. Wir beschlossen am Donnerstag den 27.August alles Material herunter zu fliegen. Am Abend erhielten wir von Kurt eine erste Diagnose. Gebrochen ist nichts, aber evtl. eine Sehne abgerissen. Ein MRI demnächst wird Gewissheit bringen.

Am nächsten Morgen entschieden Bruno und ich zum Galenstock hochzusteigen. Sepp startet gemütlich und steigt zur Zwillingskluft hoch. Wie jedes Mal ging Sepp den gleichen Weg, auf welchem er die ausgepühlten Kristalle vermutete. Hin und wieder spürte er ein solches Exemplar auf und verpackte das Stück in seinem Rucksack. Er lief genau in demselben Tempo wie die Sonnenstrahlen hoch, so dass sie beide zur selben Zeit bei der Kluft ankamen.

Bruno und ich stiegen derweilen auf der Walliserseite des Galenstockes ab. In diesem Gebiet sind seit einigen Jahren viele Strahlner unterwegs. Diverse Arbeitsspuren lassen erahnen, dass da ein Grossteil bereits durchsucht wurde. So stiegen wir gegen Nachmittag wieder zurück über den Galenstock, querten den Tiefengletscher und stiegen wieder hoch zur Kluft. Zusammen haben wir den Helisack flugbereit und transportfähig gemacht. Einem gesicherten Flug ins Tal stand nun nichts meFotos Zwillingskluft 6hr im Wege.

Am nächsten Tag flogen wir den Helisack herunter. Kurt, der schon wieder mit dem Auto fahren konnte, liess sich dieses Szenario nicht entgehen und war bereits auf dem Tätsch als SeppFotos Zwillingskluft 7 vom Biwak abstieg. Sie beide nahmen das Gepäck mit den Kristallen auf dem Tätsch entgegen, währenddessen Bruno und ich für das Anhängen des Sackes zuständig waren.

Als der Heli definitiv abhob durchbrach ein unbeschreibliches Gefühl meinen Körper. Ich musste kurz einkehren und mich setzen. Ich dankte der Natur für dieses Geschenk.

Zusammen stiegen wir dann auch hinunter zum Tätsch und begrüssten unsere Kollegen. Bereits hatten sie die Steine auf die Autos verteilt. Nach einem kurzen Debriefing fuhren wir dann nach Hause. So ging eine ereignisreiche Woche zu Ende.

An den nächsten 4 Tagen war eher unbeständiges und regnerisches Wetter angesagt. Ich hatte noch eine Woche Ferien. So stieg ich am Mittwoch den 2.September mit Bruno wieder hoch ins Biwak. Wir liesen es aber gemütlich angehen und machten diverse Streifzüge durch das Gebiet. Wir blieben zwei Nächte im Biwak, ehe dann das Wetter auf den Freitag umschlug und eine Ladung Schnee brachte.

So ging eine interessante Strahlnersaison für mich zu Ende. Kurt erholte sich langsam von seinem Sehnenriss am Daumen, was mich sehr freute. Ich danke Bruno, Kurt uns Sepp für diese grossartige Saison und freue mich schon auf das nächste Jahr.